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Geschichte der Wach- und Verteidigungstürme Mallorcas

 

 

Es gab ab dem 14. Jh. zwei Arten von Türmen:

1. In der ersten Gruppe der Türme werden reine Wachtürme zusammengefasst (von Erzherzog Ludwig „Auslugtürme“ genannt), die auf Mallorca „Atalaia“ genannt werden, abgeleitet von der arabischen Bezeichnung für Wachturm „Atalayi“.  Bei diesen Atalaias handelte es sich meist um einfache Türme an der Küste Mallorcas, oft jedoch auch nur Hütten an exponierten Stellen der Insel. Die älteren waren nur einfache Bauten, oft nur mit Seegras bedeckt. Spätere Türme wurden zunehmend stärker gebaut und mit einer Terrasse versehen, von wo man einen besseren Überblick hatte und von denen aus man besser Signale zu benachbarten Türmen senden konnte (tagsüber Rauch- und nachts Feuerzeichen).

2. Zur zweiten Gruppe gehören Verteidigungstürme (Torres): diese waren in erster Linie dazu gebaut worden, in Fällen der Gefahr wie Piratenüberfällen als Rückzugsraum zu dienen.

 

Die Türme im 14.-16.Jh. weisen unterschiedliche Bauformen auf.

Während die Wach- und Verteidigungstürme im Landesinnern meist mit quadratischen Grundriss erbaut wurden (z.B. Torre des Montsó = Torre de Canyamel wie auch viele Türme auf privaten Besitztümern wie z.B. Torre de Son Llado Vell, Campos), wurden die Wach- und Verteidigungstürme an der Küste meist mit rundem Grundriss erbaut (z.B. Torre de Son Duri, Sa Rapita oder der berühmte Torre des Verger = Torre de ses Animes, Banyalbufar).

Vielfach werden die Rundtürme mit alten Windmühlen verwechselt, die keine Flügel mehr haben, von denen es auf Mallorca hunderte gibt. Die Wach- und Verteidigungstürme weisen aber gegenüber den Windmühlen meist einen grösseren Durchmesser und meist zwei Kammern und eine Zisterne auf.

Der Eingang zur Wachkammer bzw. zur Aussichtsterrasse lag in mehreren Metern Höhe und konnte nur durch eine Strickleiter oder eine Holzleiter erreicht werden, welche man in Fällen der Gefahr nach oben hochziehen konnte. Soweit solche Türme heute noch vorhanden sind, wurden für Touristen aussen entweder massive Treppen angebaut (z.B. Torre des Verger, Banyalbufar, Torre Nova de sa Roca Fesa, Santanyi oder Eisenleitern, die allerdings stärkerer Korrosion ausgesetzt sind, weshalb ein Hinaufklimmen stets mit Vorsicht zu erfolgen hat (z.B. Torre de Cap Blanc am Leuchtturm Cap Blanc, Llucmajor, Torre dels Falcons, Portocristo oder Torre de Albercuitx, Pollenca). Wegen der Absturzgefahr wird bei den heute noch erhaltenen Türmen vielfach auf den Bau einer festen Leiter verzichtet (z.B. Torre de Cala Pi) oder der in mehreren Metern Höhe befindliche Eingang gleich ganz zugemauert (z.B. Torre d´Estalella, Llucmajor).

 

Die ersten Türme im 15. Jahrhundert kosteten nach der Überlieferung ELS ca. 150 Libras . Dies war zu der Zeit schon viel Geld. Und die Finanzierung des Baus der Türme führte oft zu erheblichen Auseinandersetzungen und Verzögerungen beim Bau neuer Türme.

Die Besatzung eines Turms bestand üblicherweise aus 2-4 Mann, die in Wechselschicht Tag und Nacht nach feindlichen Schiffen Ausschau hielten. In Zeiten vermehrter Piratenüberfälle wurden die Besatzungen auf königlichen Befehl verstärkt.

Feindliche Schiffe hatten sie nach Zahl und Kurs durch Rauchzeichen am Tag und durch Feuerzeichen in der Nacht an den nächsten Turm zu melden, der diese Meldung dann in der Meldekette weiterzugeben hatte, bis die Meldung schliesslich den zentralen Meldeturm Torre del Angel im Almudaina Palast in der Ciutat (Palma) neben der Kathedrale erreicht hatte.

Der Almudaina-Palast verfügt über mehrere Türme. Auf der Torre del Angel steht eine Engelsfigur, der dem Turm auch seinen Namen gab und die vom Parc de la Mar gut zu sehen ist, zumal es der höchste Turm des Palastes ist.

Zusätzlich wurden die Warnsignale auch im räumlichen Bereich des Turms von der dort lebenden bzw. aufhältigen Bevölkerung aufgenommen. Oft wurde der örtliche Bereich auch akustisch mittels Blechfanfaren und –hörnern gewarnt, insbesondere durch ein einfach gebogenes Horn (Corn = Cornett, aber ohne Ventile).

Dem Wachpersonal war es unter Strafandrohung verboten, den Turm zu verlassen. In einem Dekret vom 18.6.1453 war bereits für das unberechtigte Verlassen der Wachstelle eine Strafe von 6 Sous bestimmt.

Nur jeweils ein Wächter durfte alle drei Tage den Turm verlassen, um Lebensmittel zu holen. Die Besatzungen der weiter abseits gelegenen Türme waren jedoch darauf angewiesen, in Gehegen in der Nähe des Turms Hühner und anderes Vieh zu halten und eigenes Gemüse anzubauen. Meist sind die Reste dieser Nebengebäude und –gehege in der Umgebung der betreffenden Türme noch zu sehen. Teilweise sind sie noch recht gut erhalten (z.B. am Torre de Cap Blanc am Leuchtturm Cap Blanc).

 

Schon in der Römerzeit waren auf Mallorca Kastelle und Verteidigungstürme vorhanden, die jedoch meist zerstört wurden. An mehreren Stellen sind jedoch noch römische Fundamente vorhanden (z.B. Torre de Pareires, Palma Porto Pi). Oft wurde in späteren Zeiten an gleicher Stelle mit den Steinen der Ruinen ein neuer Turm errichtet.

 

Aus der Zeit der maurischen Herrschaft (902-1229 n.Chr.) sind nur wenige typisch maurische Bauten erhalten. In Palma bieten heute praktisch nur noch die arabischen Bäder (Banys arabs) ein Beispiel arabischer Baukunst. Als Kleinod muss daher die „Defla“ nordöstlich von Sineu angesehen werden. Diese auf eine maurische Alqueria zurückgehende Possessio gehört seit der Reconquista 1229 ununterbrochen der Familie des Duc d´Espanya und ist daher gut erhalten. Die Baustruktur und –ornamentik beweist den arabischen Ursprung. Dazu gehört auch ein massiver viereckiger Turm, der im 10. Jahrhundert erbaut worden sein soll.

 

Nach der Vertreibung der Mauren von Mallorca durch den katalanischen König Jaume I. im Jahr 1229 und der durch ihn vorgenommenen Neuverteilung der Ländereien war Mallorca aber nicht befriedet. Im Gegenteil nutzen die maurischen Piraten fast jede Gelegenheit, Mallorca zu überfallen, die Besitztümer zu plündern und Menschen zu entführen, um sie als Sklaven zu verkaufen. Nach der Reconquista 1229 waren die Katalanen also darauf angewiesen, die Insel insbesondere durch Wach- und Verteidigungstürme stärker zu sichern, um sich besser gegen Piraten verteidigen zu können.

In der Folge wurde rund um Mallorca ein Ring von Verteidigungs- und Wachtürmen errichtet, von denen in Form einer Meldekette jede Annäherung von Piraten jeweils zu den benachbarten Türmen bis zum Torre del Angel in Palma gemeldet wurde (tagsüber durch Rauchzeichen und nachts durch Feuerzeichen).

 

Gleichzeitig sahen sich auch insbesondere die Eigentümer der ausserhalb der Ortschaften liegenden Landsitze veranlasst, auf ihren Besitzungen ebenfalls Wach- und Verteidigungstürme zu errichten, zum einen, um möglichst früh ankommende Piraten wahrnehmen zu können, zum anderen aber auch, um sich und die übrigen Bewohner des Landsitzes vor den Piraten in dem schützenden Turm verschanzen zu können.

 

 

Quellen u.a.:

 


Ludwig Salvator: Auslug- und Wachtürme Mallorcas

Verlag Heinrich Mercy Sohn, Prag, 1916

(das von Ludwig Salvator zu 99% fertiggestellte Buch wurde nach seinem Tod veröffentlicht)

 

 

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